Bekannte Messmethoden und Einflüsse
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist die Messbarkeit von Wissensmanagement eine Forderung, die sich sowohl aus der Vergleichbarkeit aller betriebswirtschaftlichen Kenngrößen als auch aus dem Wunsch ergibt, Wissensmanagement in konkreten Zahlenwerten abbilden zu können, um den Nutzen zu ermitteln. Auf der anderen Seite ist einem Wissensmanagementprojekt ein erheblicher Anteil des Faktors Mensch zuzuschreiben, wobei vor allem psychologische Einflüsse für den Erfolg entscheidend sind. Nichtsdestotrotz sind qualitative und quantitative Messgrößen notwendig, um den Geschäftsverlauf zu bewerten. Das ist insbesondere dann relevant, wenn ein Großteil des Unternehmenswertes aus dem Wissen selbst besteht. Bisher gibt es jedoch keine eindeutige Bewertungsmethode, um Wissen eindeutig zu quantifizieren und damit direkt messbar zu machen. Ansätze, wie z.B. die „Market-Value-Buchwert-Relation“, „Tobin’s Q“, „Balanced Scorecards“ oder die „Wissensbilanz Made in Germany“, weisen zum Teil gravierende methodische Schwächen auf.
Ansätze der Wissensbewertung und deren Grenzen
In der Praxis zeigt sich, dass Wissensmanagementprojekte auch dann erfolgreich sein können, wenn die Messbarkeit nur sehr eingeschränkt möglich ist. Statt von vornherein einzelne Maßnahmen in monetäre Werte umzurechnen und diese zu addieren, ist der umgekehrte Ansatz zielführender: Um den Erfolg des Wissensmanagements zu beurteilen, muss dieses als Gesamtsystem betrachtet werden.
Unternehmenswissen ist weit mehr als die schriftliche Dokumentation einzelner Informationen. Der Wert des Wissens jedes einzelnen Mitarbeiters lässt sich nicht eindeutig beziffern, da auch hier das Ergebnis einer Teamarbeit, d.h. der Zusammenschluss mehrerer Wissensträger, größer sein kann als die Summe der Einzelpersonen. Eine Bewertung kann nur in der Anwendung erfolgen, die sich wiederum in daraus abgeleiteten Lösungen für bestehende Probleme oder in der Umsetzung innovativer Ideen niederschlägt. Um dies sichtbar zu machen und tatsächlich bewerten zu können, wäre ein bereichsübergreifender Bewertungskatalog notwendig, was ein sehr realitätsferner Ansatz zu sein scheint, auch wenn solche Vorhaben zumindest bei Konzernen teils eingesetzt werden.
Bei der anderen Variante, der externen Betrachtung in Form einer Unternehmensbilanz, ist die Inkaufnahme einer hohen Messunschärfe unvermeidlich, wenn die praktische Anwendung von Wissen unter Berücksichtigung des Zusammenspiels aller Wissensträger in Abhängigkeit von technischen Gegebenheiten, organisatorischen Regeln und sozialen Bindungen gemessen werden soll.
Die Folge dieses eher unbefriedigenden Ergebnisses zeigt sich in den verschiedenen bekannten Methoden der Wissensbewertung in der Wirtschaft darin, dass sie nur teilweise oder unzureichend angewendet werden und keine eindeutigen Handlungsoptionen oder Berechnungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen. Das heißt: Selbst wenn eine Wissensbilanzierung mit sehr ungenauen und kaum vergleichbaren Methoden durchgeführt wird, stellt sich unweigerlich die Frage, welche Schritte auf Basis dieses Ergebnisses nun notwendig sind.
Agilität als Basis der Erfolgsmessung
Der Wunsch, Wissen bzw. den Erfolg von Wissensmanagement zu messen, ist vor allem darin begründet, dass die zum Teil hohen Investitionskosten in Relation zum erzielten Nutzen gesetzt werden können, so dass die oben genannten Messvarianten häufig zum Einsatz kommen, obwohl die Ergebnisse einen zum Teil erheblichen Interpretationsspielraum bieten.
Betrachtet man die Messbarkeit aus einer anderen Perspektive, so ist vor allem die Umsetzung des Wissens der Mitarbeiter durch neue Lösungsansätze und Kreativität entscheidend für die Beurteilung des Wissenswertes, der sich in einer relativen Marktposition im Wettbewerb niederschlägt. Es ist also nicht sinnvoll, Wissen als Gut oder Vermögenswert zu betrachten, sondern vielmehr zu analysieren, in welcher Form sich Wissen(-smanagement) positiv auf das Unternehmen auswirkt.
Es handelt sich somit um eine sehr einfach durchzuführende interne Betrachtung als Benchmark, die in der externen Darstellung nur die klassischen Unternehmensbereiche wie Vertrieb, Marketing, Einkauf, Personal etc. berücksichtigt, so dass die üblichen betriebswirtschaftlichen Instrumente zur Bewertung eingesetzt werden können. Um den Wert des Wissens im Vergleich zu ähnlichen weichen Faktoren zu betrachten, sind auch das Betriebsklima im Unternehmen, Familienfreundlichkeit, flexible Arbeitszeiten, Unternehmenskultur etc. Einflussfaktoren zu nennen, die sich indirekt auf die Wertschöpfung des Unternehmens auswirken, deren qualitative und quantitative Messbarkeit aber ebenfalls kaum möglich ist.
Bei der Messung von Wissen ist somit zwischen der Bilanzierung des intellektuellen Kapitals und einer reinen Wirkmessung zu unterscheiden. Beiden weisen große Schnittmengen auf, sind in deren Bewertung jedoch vollkommen unterschiedlich zu betrachten. Das intellektuelle Kapital von außen zu messen, bedeutet mit den hier dargestellten und somit schwer greifbaren Kriterien zu arbeiten. Da das System zudem dynamisch agiert und besonders durch die darin wirkenden Menschen beeinflusst wird, ist eine faktenbasierte Beurteilung bspw. gegenüber der Geschäftsführung deutlich schwieriger, als eine Wissensmessung bzw. deren positive Einflüsse auf bestehende Prozesse. Die Anwendung eines Vorher-Nachher-Vergleichs ist in diesem Fall offensichtlich.
Rückwärtsbetrachtung zur monetären und zeitlichen Bewertung
Vor dem Hintergrund der hier gewonnenen Erkenntnisse, fällt die retrospektive Betrachtung und damit die Bewertung des Nutzens von Wissensmanagement nach der Einführung deutlich leichter. Ausgangspunkt ist daher folgende Frage:
Welcher zeitliche und finanzielle Mehraufwand wäre ohne Wissensmanagement notwendig, um das gleiche Arbeitsergebnis zum heutigen Betrachtungszeitpunkt zu erzielen?
Dementsprechend kann der Wert (Kosten) des Wissensmanagements als Mittel zur Effizienz- und Effektivitätssteigerung in Bezug auf bestehende Prozesse in der Organisation betrachtet werden. Dabei kann in der Vergangenheitsbetrachtung berechnet werden, welcher zusätzliche Zeit- und Investitionsaufwand notwendig wäre, um das gleiche Ergebnis zu erzielen, wenn es keine derartige Unterstützung auf personeller, organisatorischer und technischer Ebene gäbe.
Als Berechnungsgrundlage können verschiedene Aktivitäten und Projekte ausgewählt werden, für die das notwendige Zahlenmaterial vorliegt. Mit einer Schätzung der beteiligten Personen über den zeitlichen Arbeitsaufwand ohne Wissensmanagement, kann eine Stunden- oder Tagesdifferenz errechnet werden, die in Personentage umgerechnet werden kann.
Modellrechnung (Ausschnitt)
Unter der Annahme von 1680 Arbeitsstunden pro Jahr (bei einer 40-Stunden-Woche) ergibt sich die Anzahl der Personen, die zusätzlich benötigt werden, um das zum Zeitpunkt der Untersuchung vorhandene Wissensmanagement zu kompensieren. Die Anzahl der Personen multipliziert mit einem entsprechenden Jahresgehalt ergibt die eingesparten Kosten auf Basis der reinen Personalressource in Bezug auf die Arbeitsleistung. Für eine vollständige Betrachtung müssen weitere Bezugsgrößen in gleicher Form, d.h. durch Verrechnung mit und ohne Wissensmanagement, einbezogen werden.
Liegen diese höher als die Investitionssumme und laufende Kosten, hat das Projekt einen positiven Ertrag. In einer weiteren Betrachtung kann berechnet werden, wann sich ein solches Projekt amortisiert hat. Dabei ist zu beachten, dass diese Modellrechnung immer nur retrospektiv möglich ist und somit nicht in die Bilanzierung des Unternehmens einfließen kann. Dennoch lässt sich auf diese Weise der Erfolg von Wissensmanagement berechnen bzw. darauf aufbauend Kosten und Nutzen zukünftiger Projekte in diesem Bereich einordnen. Die praktische Anwendbarkeit ist vorab je Unternehmensart und -umfeld zu validieren. Mit den hier aufgeführten Punkten und einem Vergleich verschiedener Wissensmanagementprojekte auf Basis dieses Ansatzes können jedoch zunehmend genauere Aussagen über den Mehrwert im Unternehmen getroffen und Kosten-Nutzen-Analysen mit konkreten Zahlen untermauert werden.