Differenzierung der Begriffe

Unter der Schlagwortkombination „agiles Wissensmanagement“ finden sich im Internet die unterschiedlichsten Interpretationsansätze. Einige davon werden im Folgenden aufgegriffen, andererseits aber auch stärker differenziert, als dies bei anderen Informationsquellen der Fall ist. So werden beispielsweise die Beschreibungen agiles Wissensmanagement und Agilität durch Wissensmanagement in verschiedenen Quellen häufig synonym verwendet. Tatsächlich gibt es Überschneidungen zwischen beiden, die Zielsetzung ist jedoch eine andere.

Agilität durch Wissensmanagement beschreibt ein definiertes Ziel vor der Einführung neuer Wissensmanagementmethoden und -systemen, um die Prozesse in Unternehmen effizienter und effektiver zu gestalten. Die Abläufe werden dadurch insgesamt agiler, d.h. beweglicher, sind mit weniger Reibungsverlusten verbunden, Prozesse werden fehlerärmer und Wissen kann gespeichert bzw. weitergegeben werden, um Rüstzeiten zu verkürzen bzw. die Zeit des Umlernens auf ein Minimum zu reduzieren.
Auf der anderen Seite ist das agile Wissensmanagement eine Weiterentwicklung und verbessert die Prozesse des bereits vorhandenen Wissensmanagements selbst. Es basiert auf den Prinzipien der agilen Softwareentwicklung und zielt darauf ab, schnell und flexibel auf Veränderungen im Umfeld eines Unternehmens reagieren zu können.


Wodurch wird Wissensmanagement agil?

Im agilen Wissensmanagement wird das Wissen des Unternehmens als lebendiger Organismus betrachtet, der sich ständig weiterentwickelt und verändert. Es geht darum, Wissen schnell zu generieren, zu teilen, zu verbessern und anzuwenden, um schnelle Entscheidungen zu treffen und den Fortschritt des Unternehmens zu beschleunigen.
Der Kern liegt in der Agilität oder Flexibilität, wie mit diesem Wissen umgegangen wird. Ein Ansatzpunkt können z.B. selbstorganisierte Gruppen sein, die das vorhandene Wissen kontinuierlich weiterentwickeln, mit den Wissensträgern und Projektteams in einen Austausch treten und somit das vorhandene Wissen sowohl auf fachlicher als auch auf menschlicher Ebene ergänzen und für die Mitarbeiter des Unternehmens zugänglicher bzw. auf Basis von Hierarchieebenen durchlässiger machen. Typische Werkzeuge und Methoden, die eingesetzt werden können, um Wissen schnell und effektiv zu organisieren und zu teilen, sind beispielsweise agile Projektmanagementmethoden wie Scrum oder Kanban, aber auch eine neue Art der Kommunikationskultur. Dadurch werden Entscheidungswege verkürzt, der Wissensaustausch beschleunigt und die Qualität des Wissensmanagements durch iterative Prozesse stetig verbessert. Durch die damit verbundene Flexibilität kann zudem ein Geschwindigkeitsvorteil gegenüber dem klassischen Wissensmanagement erzielt werden. Eine konkrete Abgrenzung ist jedoch nicht möglich, da auch in aktuellen Konzepten von Wissensmanagementsystemen und -methoden bereits zahlreiche agile Komponenten enthalten sind.


Der richtige Zeitpunkt

An dieser Stelle sei nochmals auf den Lean-Ansatz hingewiesen. Agiles Wissensmanagement betreiben zu wollen, setzt voraus, dass ausreichend Erfahrungen mit den klassischen Inhalten eines Wissensmanagements gesammelt werden konnten. Da es sich um ein sich ständig weiterentwickelndes, lebendes Projekt handelt, das nicht nur durch die Inhalte einer Softwarelösung, sondern vor allem durch die Menschen, die damit arbeiten, geprägt wird, ist die Bilanz und Ausprägung des vorhandenen Wissensmanagements je nach Unternehmen bzw. auch im zeitlichen Kontext sehr individuell zu bewerten. Dabei stellt sich weniger die Frage, ob ab einem bestimmten Zeitpunkt agiles Wissensmanagement betrieben wird, sondern wie die bereits vorhandene Agilität weiter ausgebaut werden kann.
Die beste Voraussetzung für eine solche Bewertung ist der Zeitpunkt, nachdem ein stabiler Betrieb z.B. eines Wissensmanagementsystems im Unternehmen gewährleistet werden konnte. Die Anwender müssen intuitiv mit der Software umgehen können, die Erstellung neuer Wissensdokumente muss ein stabiles und stetig steigendes Niveau erreicht haben und die Einführungs- bzw. Anlaufphase muss mit einem ausreichenden Zeitpuffer abgeschlossen sein. Erst wenn wieder freie Kapazitäten, aber auch die Motivation der Beteiligten vorhanden sind, sollten neue Ziele gesetzt und auf diese hingearbeitet werden.


Flexibilität und Arbeitskultur die vieles ändert

Agile Methoden können auch mit einem Change Management im Unternehmen verbunden sein, da nicht nur neue Methoden erlernt werden müssen, sondern die Grundvoraussetzung ist, dass sich das Unternehmen selbst oder zumindest die Unternehmenskultur verändert. Agiles Arbeiten bedeutet mehr Eigenverantwortung und Kompetenzzuweisung, beinhaltet aber vor allem auch eine soziale Komponente. Die Umstellung auf agile Methoden (generell) kann hinsichtlich des damit verbundenen Aufwands schnell unterschätzt werden, da die Veränderungen nicht per Anweisung umgesetzt werden können, sondern im Arbeitsalltag gelebt, als selbstverständlich angesehen und als Verbesserung wahrgenommen werden müssen. Dies nur per Anweisung durchsetzen zu wollen, erzeugt Widerstände in den Köpfen der Mitarbeiter und kann dazu führen, dass die gewünschte Agilität abgelehnt wird und damit das gesamte Projekt scheitert.
Agilität ist ein Mindset, das nicht nur von den Mitarbeitern umgesetzt, sondern vor allem von den Vorgesetzten und dem Management (vor)gelebt werden muss. Dies per Anweisung zu erzwingen ist nicht mehr zeitgemäß und wird in der heutigen Arbeitswelt immer weniger akzeptiert. Gleichzeitig ist diese Methode langfristig fast ausnahmslos zum Scheitern verurteilt. Erfolgversprechender ist es, einen fruchtbaren Boden zu bereiten, Möglichkeiten aufzuzeigen und interessierte und aufgeschlossene Menschen im Unternehmen auf Augenhöhe dabei zu unterstützen, einen neuen, agilen Weg des Arbeitens zu gehen. Ist dies erfolgreich, werden auch andere Mitarbeiter*innen dem Beispiel folgen.